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ZEITGEFÜHL

Magazin für hochwertige
Mechanikuhren

Uhrenjournal

Uhren im Internet – Was findet der Uhrenfreund?

Beobachtungen zur Internet-Präsenz der Uhrenindustrie und Uhrenfreunde; Chancen und neue Wege.

Wie wird dieses Medium für die Präsentation von Uhren genutzt? Dazu einige allgmeine Betrachtungen.

Hinweis: Dieser Text wurde in der Anfangszeit des Internets verfaßt, als die meisten Marken es noch kategorisch ablehnten, sich überhaupt im Web zu präsentieren.

Sie gehören zu den "aufgeschlossenen" Zeitgenossen, sind Uhrenfreund oder gar Profi, und wollen einmal nachforschen, was es in Ihrem Interessenfeld "Uhr" im Internet zu finden gibt? Nun — zum einen gibt es da viel, vielleicht mehr, als Sie erwartet hätten. Zum anderen wenig.

Viel gibt es an Bemühen derer, die die Uhr nun auch ins Internet bringen wollen. Die erkannt haben, daß das Internet ein Medium mit ungeheuren Chancen und einem ganz neuen Freiraum an Möglichkeiten bedeutet. Dieses Medium ist sehr großzügig, liberal, offen — und zweifellos sehr lebendig, frisch und jugendlich. Es ist — was viele gar nicht gewohnt sind — nicht reglementiert, nicht überwacht, nicht bürokratisch, also all das nicht, was wir bereits als Einengung im Blut haben. Man kann tief Luft holen und durchatmen und ganz neu beginnen, wie bei einem neuen Land, das noch frei ist, bei dem die Besitzverhältnisse noch nicht so abgesteckt und fest vorgezeichnet sind, wie wir es aus fast allen unseren Lebensbereichen gewohnt sind.

Diese Situation ruft alle Begleiterscheinungen auf den Plan, die es bei solch einer Ausgangslage immer gibt und geben wird: Geschäftemacher und Verrückte, Idealisten und Kommentatoren, Schaulustige und wohlmeinende Fleißige. Kompetenz und Inkompetenz sind erst einmal bunt durcheinander gemischt. Und die Absichten und Interessen laufen konträr in alle Himmelsrichtungen auseinander.


Da gab es zuerst einmal die Begeisterten und Liebhaber. Sie haben das Internet zuerst besiedelt und eine ganz neue Kultur inszeniert. Auf dem Feld der Uhr waren das die privaten Homepages der Uhrenbegeisterten und -Fans. Ohne jede Aussicht, dafür je entlohnt zu werden — außer in Form der eigenen Liebe zur Sache, der eigenen Schaffenslust und Mitteilungsfreude — saßen sie Stunden um Stunden am Computer und haben sich die Nächte um die Ohren geschlagen. Heraus kamen dann aber oft nur Verweise auf andere Seiten, illustriert mit ein paar hübschen Bildern — oder Bezüge zu Datensammlungen und Textquellen.

Dann kamen die Firmen und versuchten, ihr Areal abzustecken. Die Zielrichtung war klar: Marktanteile vergrößern, der Konkurrenz mindestens einen Schritt voraus sein. Die simpelste Umsetzung dieser Philosophie: Man bringt die eigenen Produkte mit einer kurzen Beschreibung auf den Schirm und fügt eine Händleradresse, besser noch eine Möglichkeit zur Direktbestellung bei.

Zugleich finden sich immer wieder unvollständige Projekte und nicht fertig gebrachte Anläufe. Auf der einen Seite will man wohl nicht Gefahr laufen, ins Hintertreffen zu geraten, auf der anderen Seite möchte man erst abwarten, ob die Sache überhaupt ein "Potential" hat — natürlich rein vom Marketing-Aspekt aus gesehen.

Die Uhrenmagazine halten sich im Internet stark zurück — was ja auch verständlich ist. Wollen sie doch ihre Druckerzeugnisse verkaufen, an denen sie verdienen. Wer möchte schon kostenlos agieren, wo Redakteure, Fotografen und all die anderen beteiligten Fachleute schließlich ihren Lohn beanspruchen?


Mich interessiert die Frage, was der Uhrenfreund (ich bin selbst einer) letztendlich davon hat. Uhren-Seiten, die nur aus Bestellformularen bestehen, Uhren-Seiten, die bloß den Profitaspekt verfolgen, und seien sie noch so aufwendig gemacht und üppig illustriert, wirken auf eine ganz subtile Weise uninteressant. Man mag den Internet-Benutzer zwar immer wieder für recht blöde und sensationslüstern halten und ihm unterstellen, er klickte sich verwöhnt und überreizt durch die Seiten, ohne je auf irgendetwas von Wert oder Bedeutung acht zu geben. Aber ich denke, das Medium Internet ist eben kein rein kommerzielles Medium, in dem bloß Produkte angeboten und verkauft werden. Es ist nicht "weniger", wie vielleicht Vertriebschefs lästern werden, sondern es ist "mehr", nämlich auf eine ganz andere Weise. Es ist weiter, es ist viel umfassender, ja sogar menschlicher und vielschichtiger — man kann es bloß nicht packen und in die Kiste mit den Geldinteressen stopfen.


Ein Austausch über die Liebe zur Uhr wird nun — jenseits alter Schubladen — möglich: Beispielsweise läßt sich auch im Internet die Uhr als wertiger, edler Zeitmesser anschaulich und interessant darstellen und erzählen. Diese Darstellung wird der guten Uhr neue Freunde zuführen, Menschen, die vorher vielleicht noch nicht viel über dieses Thema gesehen oder gehört haben.

Da gibt es bekanntlich jene einseitige und verengte Sichtweise, die in allen Uhren, die besser sind als die rein funktionellen Zeitanzeiger zum Wegwerfen, bloß luxuriöse, oft überteure Konsum- und Prestige-Artikel zu sehen vermag. Diese weitverbreitete Sichtweise, die in Wirklichkeit auch eine verarmte und ausgehöhlte Beziehung zu Gebrauchsgegenständen unseres Lebensalltags beschreibt, kann sich öffnen und der erstaunte Betrachter kann vielleicht zum ersten Mal mit Verwunderung entdecken, daß das Phänomen dieses frappanten Reichtums an echten Qualitätsuhren in Wirklichkeit eine einmalige Gipfelleistung des Menschen darstellt, ein Symbol für gute Arbeit, für die Entwicklung unserer Geschichte und Kultur, unserer ästhetik, unseres Wissens von kunstvoller Mechanik, ausgefeiltester Funktion, höchster Gebrauchsqualität, Präzision und Wertbeständigkeit, um nur einige Aspekte zu nennen.

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Wo das Aussterben klassischer Automobile, etwa der 30er bis 50er Jahre, wehmütig betrauert und resignativ abgehakt wird, lebt die klassische Uhr — und wie sie lebt: Sie feierte, entgegen allen angeblichen Trends, ihre ruhmreiche Wiedergeburt!


Ich sehe im erreichten Stand der Uhrenherstellung auch ein Symbol und Zeichen für das Innovationspotential unserer Wirtschaft, ein Zeichen, das Mut macht und durchaus auch auf andere Bereiche beispielhaft ausstrahlen könnte. Der bereits zur Gewohnheit gewordene Glaube, daß alle Produkte immer schlechter und immer weniger dem Menschen und seinen Empfindungen gemäß zu werden hätten und diese Entwicklung nun einmal nicht umkehrbar sei, dieser Glaube muß dringend auf den Müll geworfen und durch ein neues Vertrauen in unsere Möglichkeiten ersetzt werden. Die gute Uhr, wie sie heute existiert, beweist, daß das nicht nur möglich, sondern auch dringend notwendig ist.


Ein weiteres Beispiel für neue Möglichkeiten, die das Internet bieten kann: Informationen jeder Art im Zusammenhang mit der Uhr und dem Uhrenhandwerk können schnell und problemlos ausgetauscht werden. Es eröffnet sich ein lebendiges Feld, an dem jeder Interessierte einfach und mühelos teilnehmen und von dem er in jeder Hinsicht profitieren kann.

Wichtig ist, die neuen Wege engagiert und kreativ zu beschreiten, anstatt geizig auf sicheren Bahnen zu verharren. Beides bedingt einander: Der Gestalter, der erst wissen will, daß er Erfolg haben wird, bevor er beginnt, kann nicht kreativ gestalten, und deshalb wird er auch keinen Erfolg haben. Er verharrt im Lauern und Abwarten.

Der Gestalter, der etwas tut und zeigt und anbietet, löst Interesse aus, erhält Feedback, und kann weitermachen, Neues wagen, und wiederum neues Interesse wachrufen.

Die Zeiten ändern sich, und wer jeweils die neuen Chancen kreativ und intelligent ergreift, der wird sehen, daß die Zeiten gar nicht so schlecht sind...

Gerd-Lothar Reschke
— München, 2000/31.5.2005 —

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